Anfang Oktober 2021 ist in Miesbach das Modellprojekt “Wohnungsnotfallhilfe im Landkreis Miesbach” unter der Bereichsleitung von Lilo Lüling und mit zwei Mitarbeitenden gestartet. Es wird – vorerst für ein Jahr – sowohl vom “Bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales” als auch aus Eigenmitteln der Diakonie Rosenheim finanziert.
Das Angebot richtet sich an Bürger/-innen aus dem Landkreis Miesbach, denen der Verlust ihrer Wohnung droht. “Zu uns kommen Menschen, die eine Wohnungskündigung erhalten haben oder denen durch ihren Vermieter eine Kündigung angedroht wurde”, erzählt Lilo Lüling von den “Sozialen Diensten Oberbayern“. Auch Menschen, denen bereits eine Räumungsklage oder ein Zwangsräumungstermin zugestellt wurde, können sich an die Mitarbeitenden der “Wohnungsnotfallhilfe im Landkreis Miesbach” wenden. “Unser primäres Ziel ist es immer, den bestehenden Wohnraum durch eine Problemanalyse und die Entwicklung nachhaltiger Lösungen zu erhalten und Obdachlosigkeit zu vermeiden”, berichtet Lüling weiter. Denn da bezahlbarer Wohnraum gerade hier in der Region sehr knapp sei, sei es nach einem Wohnungsverlust für die Betroffenen meist extrem schwer, zeitnah eine neue Wohnung zu finden.
“Selbstverständlich beraten und helfen wir aber auch Menschen, die bereits obdachlos geworden und durch eine Gemeinde im Landkreis Miesbach untergebracht sind”, so die Bereichsleitung. “Hier versuchen wir, Perspektiven zu entwickeln. Ziel ist es, den Weg in ein reguläres Mietverhältnis zu begleiten, aber auch die Vermittlung in geeignete Hilfesysteme oder unterstützende Wohnformen.” Denn sehr häufig gehe Obdachlosigkeit ebenfalls mit einer Suchtproblematik, Schulden oder einer psychischen Erkrankung einher, die es den Betroffenen schwer machten, auf dem Wohnungsmarkt eine neue Wohnung zu finden. “Diese Problemlagen abzubauen, ist oft der erste Schritt in Richtung eines neuen, geeigneten Wohnraums”, erklärt Lilo Lüling. Aktuell ist aufgrund der pandemischen Lage für eine Beratung allerdings eine Terminvereinbarung notwendig. “Soweit es die Lage zulässt, bieten wir auch aufsuchende Sozialarbeit an. So erreichen wir niederschwellig die Betroffenen und die Mitarbeitenden können die aktuelle Lebenssituation der Menschen in die Hilfeplanung einbeziehen.”
Zudem helfen die Mitarbeitenden der Wohnungsnotfallhilfe bei der Beantragung einer Sozialwohnung, von Wohngeld, Arbeitslosengeld I und II oder der Grundsicherung im Alter. Auch stehen sie bei Wohnungsnotfällen bei mietrechtlichen Fragestellungen beratend zur Seite und bieten Mediation zwischen Mieterinnen und Mietern und Vermieterinnen und Vermietern an.
Schon seit Jahren in der Wohnungslosen- und Wohnungsnotfallhilfe tätig
Bereits seit vielen Jahren unterhalten wir als Träger erfolgreich Fachstellen zur Verhinderung von Obdachlosigkeit in Rosenheim sowie den Landkreisen Rosenheim und Ebersberg. In der Stadt Rosenheim betreuen unsere “Sozialen Dienste Oberbayern” außerdem auch die städtischen Obdachlosenunterkünfte und sind mit den Gemeinden in den Landkreisen Rosenheim und Ebersberg, mit Ämtern, Behörden, Beratungsstellen und Gerichten bestens vernetzt. In Rosenheim und Ebersberg bieten die Herbergen akut obdachlosen Personen sozialpädagogische Erstberatung, eine Übernachtungsmöglichkeit und im Winter Kälteschutz.
Auch das aktuelle Sheltersuit-Projekt (wie im “Wegweiser” berichtet) soll obdachlose Menschen gerade in der kalten Jahreszeit vor Aus- und Unterkühlung schützen und einen Erfrierungstod verhindern.
“Seit Jahren verzeichnen wir in unserer Region steigende Mieten und eine Verteuerung des Wohnraums”, sagt Klaus Voss, Geschäftsleitungsmitglied und bei uns im Träger verantwortlich für die “Sozialen Dienste Oberbayern“. Das mache sich besonders in den von uns betriebenen Einrichtungen der Wohnungslosen- und Wohnungsnotfallhilfe sowie in den Fachstellen zur Verhinderung von Obdachlosigkeit stark bemerkbar. Denn hier steige der Zulauf an bedürftigen Menschen ebenfalls seit Jahren kontinuierlich. “Daher bin ich froh, dass wir nun durch das Modellprojekt erstmals auch im Landkreis Miesbach existenzielle menschliche Notlagen zu verhindern oder abzumildern helfen können”, betont Voss.
Zu wenig bezahlbarer Wohnraum vorhanden
Dass das dringend nötig ist, zeigen u. a. die diesjährigen Studienergebnisse der Hans-Böckler-Stiftung, die zum “Tag der Wohnungslosen” am 11. September veröffentlicht wurden: Hiernach bleibt mehr als zwei Millionen Menschen in Deutschland weniger als das Existenzminimum zum Leben, nachdem sie ihre Miete bezahlt haben!
Und wer über wenig finanziellen Spielraum verfügt, gerät schnell in Zahlungsschwierigkeiten, wenn ihn beispielsweise eine Mieterhöhung trifft. Der “BAG Wohnungslosenhilfe e. V.” ging daher bereits 2018 in seiner Schätzung von mehr als 670.000 Obdachlosen in Deutschland aus! Werena Rosenke, Geschäftsführerin des “BAG Wohnungslosenhilfe e. V.”, sieht die Hauptgründe für Obdachlosigkeit im unzureichenden Angebot bezahlbaren Wohnraums für Menschen im Niedrigeinkommensbereich und für Menschen, die Transferleistungen beziehen, sowie in der Schrumpfung des Sozialwohnungsbestandes. “Wie sollen sich diese Menschen auf einem Wohnungsmarkt versorgen, auf dem es insbesondere an bezahlbaren Kleinwohnungen mangelt?”, fragt sie. So stellte der “BAG Wohnungslosenhilfe e. V.” schon 2018 in Deutschland ein Defizit von zwölf Millionen an Ein- bis Zweiraumwohnungen fest! Dieses Defizit dürfte seither noch um einiges größer geworden sein…